Heute: Unser Landestrainer Sebastián Campos Flores, der die Fragen so toll beantwortet hat, dass es keiner weiteren Einleitung bedarf. Viel Spaß!
Hallo Sebastian, wie geht es Dir?
Hey, erstmal vielen Dank für das Interview! Mir geht''s super, bin gut ins neue Jahr 2025 gerutscht und hab mich nach anderthalb Jahren als Landestrainer bei NBV und meiner Ankunft in Hannover gut eingelebt. Ich bin gespannt, was da noch so auf mich zukommt.
Stell´ Dich doch bitte einmal kurz vor und sag´ uns, wo Deine Wurzeln sind.
Ich bin Sebastián Campos Flores, und ich habe zwei Nachnamen. Auf Spanisch wird normalerweise zuerst der Nachname des Vaters und dann der der Mutter verwendet. Ich bin geografisch in Santiago de Chile geboren und dort aufgewachsen. Meine Mutter ist echt klasse, deshalb nehme ich immer beide Nachnamen, um sie zu ehren.
Santiago ist eine Riesenstadt, so ähnlich wie Berlin. Aber der ganze Stadttrubel und die Menschenmassen liegen jetzt schon etwa ein Jahrzehnt hinter mir. Ach ja, übrigens bin ich 39 Jahre alt, aber eigentlich fühle ich mich viel jünger. Vielleicht liegt es daran, dass ich bisher mit jungen Spielerinnen und Spielern gearbeitet habe. Das hält einen im Kopf jung.
Die Mehrheit meiner Familie lebt noch in Santiago. Eine Nichte, die Sportlerin ist, lebt in Spanien und eine meiner Schwestern in Australien.
Was machst Du zurzeit? (Beruflich, ehrenamtlich im Verein oder sonst)
Klingt vielleicht ein bisschen komisch und für manche vielleicht zu viel, aber es ist mir echt eine Ehre zu sagen, dass ich als Landestrainer für Niedersachsen im männlichen Kaderbereich arbeite. Und ich denke sogar darüber nach, mich in der Zukunft ehrenamtlich beim CISNE Hannover e.V. reinzuhängen. Früher habe ich als ERASMUS Tutor für internationale Studis an der Uni Leipzig gejobbt und 2015 war ich freiwillig dabei, als es um Sportangebote für geflüchtete Kinder und Jugendliche beim Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V. ging.
Wie bist Du zu dieser Aufgabe gekommen?
Meine Coach-Geschichte ist wie eine wilde Achterbahn durch meine ganzen Kindheits-Träume und Job-Ideen. Als kleiner Junge wollte ich Astronaut werden, aber in der Schule hat sich meine Motivation ständig verändert. Mit "Mathe"-Eltern, die beide Buchhalter bzw. Wirtschaftsprüfer waren, und einer Familie voller Akademiker, bin ich bewusst einen anderen Weg gegangen. Obwohl alle Mitschüler von meiner Elite-Schule Ingenieurwissenschaften oder Architektur (LK-Mathe & Physik) studieren wollten, habe ich mit 18 Jahren etwas Philosophisches gemacht: Mein zukünftiges Ich gesehen und Sport studiert.
In Santiago an der Uni angekommen, wollte ich unbedingt Basketballtrainer werden. Ich war nie der beste Spieler, aber schnell wurde klar, dass ich andere Talente hatte, um ein guter Trainer zu sein. Der Wunsch, weiterzugeben, was mir keiner beigebracht hat, war da.
Das Leben hat mich dann nach vielen Höhen und Tiefen als Landestrainer nach Deutschland geführt, das jetzt sogar Weltmeister ist. Meine Schwester sagt, das liegt an meiner positiven Einstellung zum Leben, meinem Sport-Engagement und der Liebe zum Basketball. Ich erzähle meine Geschichte gern in der Hoffnung, dass sie auch andere inspirieren kann.
Ich habe immer davon geträumt, im Ausland zu arbeiten, viele Sprachen zu sprechen und so ein "Bürger der Welt" zu sein. Besonders, weil an unserer Schule, dem "Instituto Nacional", öfter ausländische Studenten als „Exchange Students“ vorbeigeschaut haben.
Treibst Du aktiv Sport?
Ja, immer noch. Zumindest versuche ich, mich zwei bis dreimal pro Woche auf irgendeine Weise zu bewegen.
Wenn ja, welche Sportarten sind dabei?
Alles ist möglich: Basketball, Tennis, Tischtennis, Schwimmen, Radfahren oder Kraftsport. Aber ich spiele auch gerne Schach. Obwohl alles rein aus Spaß ist und ohne Ambition, bin ich manchmal zu competitive.
Fühlst Du Dich integriert in Hannover bzw. generell in Deutschland?
In Hannover langsam fühle ich mich wohl, lerne peu a peu jede Ecke kennen. Das Wort „Integration“ ist für mich ehrlich gesagt, ein zu großes, zu komplexes Wort, zumindest in seiner Definition. Ich weiß aber auch, dass sowohl ein Chilene als auch ein Deutscher in mir leben. Es ist jedoch kein 50/50-Ding, sondern eher ein 70/70-Ding :D ganz normal für das Lebens eines Expats.
Alles in allem fühle ich mich in Deutschland aber sehr wohl und relativ sicher.
Bist Du schon einmal mit Fremdenfeindlichkeit konfrontiert worden?
Nicht direkt, aber da kommen mir ein paar Sachen in den Sinn:
In Leipzig habe ich eine ganze Weile gewohnt, und 2015 haben alle gemerkt, dass sich da leider, was in die falsche Richtung bewegt. 2018 habe ich in Halle an der Saale gearbeitet, und da sind mir leider immer wieder rechtspopulistische Aufkleber in der Nachbarschaft aufgefallen. Als Ausländer hat man da schon so ein komisches Gefühl. Ich glaube, im Jahr darauf gab''s dann diesen schrecklichen Anschlag in Halle. Einfach schrecklich!
Im Alltag kriegt man manchmal nervige Sprüche ab. Die Leute machen das vielleicht unbewusst, aber es ist auch nicht immer möglich, jedes Mal jede Person darauf anzusprechen oder zu sensibilisieren. Wie''s so schön heißt: „Uncomfortable conversations are hard, but avoiding every conflict is harder.”
Wenn ja, magst Du ein wenig davon erzählen und wie Du ggf. darauf reagiert hast?
Als Student in Leipzig war ich bei ein paar Anti-Pegida-Legida-Demos mit am Start. Ein bisschen Aktivist eben. Meine deutschen Freunde haben immer gut auf mich aufgepasst, was echt cool war. In Halle gab''s mal diese eine Sache mit Aufklebern, da habe ich meinem Team Bescheid gesagt. Die Spielerinnen und der Headcoach waren aus dem Ausland und konnten kein oder nur wenig Deutsch. Da habe ich mich verantwortlich gefühlt, sie zu sensibilisieren.
Ich schaue gerne mit Dankbarkeit und Nostalgie auf meine Zeit an beiden Unis und der Elite-Schule (USACH & Uni Leipzig & Instituto Nacional) zurück. Da gab''s echt unterschiedliche Lebenserfahrungen: Leute, die sich mehr anstrengen mussten, und Studis, die ihr Studium selbst finanzieren mussten. Alles ziemlich bunt und politisch. Die Unis und Schulen waren engagiert, das hat mich geprägt. Das hat mir geholfen, Stereotypen aufzubrechen, sei es im Sport versus traditionellen Jobs. Ich mag Leute, die ohne Schubladen denken und für Neues offen sind.
Im Sport lernen wir täglich, Verantwortung zu übernehmen, respektvoll miteinander umzugehen und Solidarität zu zeigen – Werte, die auch in der Gesellschaft entscheidend sind. Am 23. Februar wählen zu gehen, ist eine Chance, diese Werte aktiv in unserer Gesellschaft zu fördern.